Moin Kapstadt

Am 16. August bin ich in Kapstadt angekommen. Es ging vom deutschen Sommer in den windigen südafrikanischen Winter trotzdem konnte ich mich mittlerweile einigermaßen einleben. Obwohl es einige Startschwierigkeiten wie Bettwanzen in der WG und einem frühen Kratzer im Auto vom Einparken gab, fühle ich mich in Kapstadt immer wohler.

Meine Arbeitsstelle

Meine Arbeitsstelle, die New World Foundation, hat zwei wichtige Standorte, in denen ich eingesetzt werde: zum einen den Center wo die Arbeit mit Kindern stattfindet, und zum zweiten die Farm, wo ein Agrar-Kurs angeboten wird. Im Moment bin ich immer abwechseld einen Tag im Center und einen Tag auf der Farm.

Im Center arbeite ich den Vormittag immer in der ECD (Early Childhood Development), das ist der Kindergarten. Dort spiele ich mit den Kindern oder helfe ihnen beim Basteln. Die Kinder bereiten sich im Moment auch auf eine Show vor, die im November stattfinden soll. Dafür lernen sie alle einen Tanz. Und ich bringe meiner Kindergartengruppe auch „alle meine Entchen“ bei, dass sollen Kinder dann bei ihrem Auftritt versuchen zu singen. Da der Tag immer recht durchgetaktet ist, ist es mir am Anfang relativ schwergefallen, mich einzubringen. Außerdem ist es schwierig, die Kinder zu verstehen, weil sie oft eine Mischung aus Afrikaans und Englisch sprechen. Leider haben sich meine Afrikaans-Kenntnisse noch nicht deutlich gebessert, seit ich hier bin. Das plane ich aber noch zu ändern. Am Nachmittag im Center nehmen wir manchmal am „Year beyond“-Programm teil. Dies beinhaltet 25 junge lokale Freiwillige, die Schulkinder unterstützen, die versetzungsgefährdet sind. Die Freiwilligen bringen die Kinder zur Schule, machen Hausbesuche bei den Eltern und geben ihnen Nachhilfe. Außerdem werden die Kinder über Themen wie Drogen oder Umgang mit Notfällen von den Freiwilligen aufgeklärt. Dabei gehe ich mit in die Schulen für die Hausaufgabenhilfe oder einfach für die Bespaßung der Kinder. Manchmal bieten wir auch einfach Unterhaltungsprogramme außerhalb der Schule an für die Kinder, die nicht mehr in die Schule gehen. Außerdem muss ich seit neustem auch einen Computerkurs leiten, der jungen Menschen den Umgang mit Word, Excel oder PowerPoint näherbringen soll. Damit starte ich ab nächster Woche.

Auf der Farm nehmen wir an einem Agrar-Kurs Teil. Dieser bringt Leuten aus der Umgebung den Umgang mit Anbauen, Ernten und Verkauf von Gemüse bei und ist auch mit einer Zertifizierung verbunden. Der Kurs hat mit relativ viel Theorie begonnen, ist aber nun auch praktisch und die ersten Setzlinge wurden eingepflanzt. Der Kurs soll drei Monate lang dauern und dabei neben landwirtschaftlichen Fähigkeiten auch den Umgang mit Computern und wirtschaftliches Denken fördern. 

Die Gewalt

Was mich wirklich in den ersten Monaten nach meiner Ankunft beschäftigt hat, ist die Gewalt hier. Es ist erschreckend, wie viel Gewalt man hier miterlebt, oder vor allem, wie normal es hier für die meisten Anwohner geworden ist. An das Geräusch von Schüssen zum Beispiel hat man sich schon langsam gewöhnt. Aber vor allem welche Geschichten man hier hört, ist erschreckend – besonders, mit welcher Leichtigkeit diese erwähnt werden. So wird zum Beispiel im Nebensatz berichtet, dass vor ein paar Tagen eine Frau erschossen wurde, die nichts mit Kriminalität zu tun hatte, sondern von den Angreifern verwechselt wurde. Vor allem hat mich die Geschichte einer Arbeitskollegin entsetzt, die kaum älter ist als ich. Sie erzählte, dass sie vor ein paar Jahren gesehen hat, wie eine komplette Familie vor ihr erschossen wurden. Sie schilderte auch, dass die Kinder sehr viel Angst hatten. Was mich noch mehr geschockt hat als die Geschichte an sich, war mit welcher Kühle sie dieses so schreckliche Erlebnis erzählte. Es ist erschreckend sich vorzustellen, was eine Person hier schon alles an Gewalt erlebt haben muss, damit eine solches Erlebnis gar nicht mehr nahe geht.

Aber der Höhepunkt für mich war, als wir einmal im Rahmen des „Year beyond“-Programm unterwegs waren. Wir sind in die Community gegangen, um eines der Spaßprogramme für die Kinder anzubieten, die nicht mehr in die Schule gehen. Als wir dann dort auf einem Parkplatz saßen und mit ein paar Kindern spielten, kamen mehrere Personen über die Straße gelaufen. Plötzlich warnte uns einer der lokalen Freiwilligen, unser Handy wegzutun, und dann hieß es, wir sollen rennen und alle liefen weg. Später wurde uns erklärt, dass diese Leute so gelaufen seien, als würden sie Waffen tragen, und wahrscheinlich nach jemanden gesucht hätten. Zum Glück kam es aber nicht dazu, dass geschossen wurde. Und wieder fand ich es besonders befremdlich, mit welcher Leichtigkeit alle reagiert haben: Die lokalen Freiwilligen rannten zwar weg, fingen aber dabei an zu lachen, weil einer ihrer Freunde dabei ausgerutscht war. Beim Rückblick am Ende der Woche wurde bei den Highlights, die die lokalen Freiwilligen jede Woche sammeln das Ereignis als „the amazing race Ben & Lou“ benannt.

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