Bienvenidos a Paraguay

Heute ist der 13 Oktober, zumindest in Paraguay, vor genau zwei Monaten stand ich in Deutschland am Flughafen, voller Neugierde, Vorfreude, Zweifel und Ängste. Natürlich hatte ich die Blogbeitrage gelesen und meine Vorfreiwillige Malena etwas zu oft mit Fragen durchlöchert, aber vollständig vorbereitet habe ich mich natürlich trotzdem nicht gefühlt. Jetzt, nach zwei Monaten kann ich sagen, dass ich so viel erlebt und gelernt habe und immer noch nicht sagen kann, dass ich Bescheid weiß. Es ist in vielen Hinsichten noch immer ein Ankommen und Einleben, auch wenn sich mittlerweile schon Alltag eingeschlichen hat. Es ist ein Paradoxes Gefühl, ich kenne mich etwas mehr in der näheren Umgebung aus, gehe ganz normal Einkaufen, kann mich besser verständigen und werde auf der Arbeit immer hilfreicher. Andererseits merke ich doch noch immer wieder, dass eine Annahme falsch war, ich mich in der Stadt noch gar nicht auskenne und ich in Spanisch weder konjugieren noch Zeitformen nutzen kann. Ich bin Angekommen aber noch nicht hier.

unsere neue Unterkunft

Vieles von dem ich vor dem herkommen dachte, dass es ein Problem für mich sein könnte war im Endeffekt gar nicht so dramatisch, sondern eher eine Tatsache die ich zur Kenntnis nehmen und mein Verhalten entsprechend anpassen musste. Beispiele dafür sind, dass wir das Wasser aus dem Hahn nicht trinken sollten, Klopapier nicht in die Toilette darf, dass es Stromausfälle gibt oder dass wir Kakerlaken in der Küche haben. Für alles gibt es leichte Lösungen oder man lebt einfach damit.

Eine Sache gibt es allerdings, an die ich mich immer noch gewöhnen muss: Es gibt keinen Fahrplan der Regionalen Busse. Es macht mir nichts aus, dass der Bus keine Feste Zeit hat wenn er ankommt, was mich allerdings nervt, ist dass ich keine Buslinien kenne. Ich weiß nicht wo die Busse vorbeifahren und wohin sie gehen, nachdem ich nachgefragt habe, hat sich herausgestellt, dass es dazu keinen Plan gibt, man muss es einfach durch Zufall oder nachfragen herausfinden. Das bedeutet aber auch, dass wenn ich irgendwo spontan hinmöchte, ich immer einen Bolt (das ist etwas wie ein Uber oder Taxi hier) nehmen muss. Das ist natürlich auf lange Sicht Teurer und weniger Umweltfreundlich als ein Bus.

Generell läuft das mit den Bussen etwas anders hier und meiner Meinung nach vielleicht sogar besser als in Deutschland. Der Bus hat keine Haltestellen, sondern statdessen eine feste Strecke. Kommt der Bus vorbei, winkt man ihn raus und er hält an. Möchte man aussteigen sagt man schnell bescheid oder drückt auf einen Knopf und der Bus stoppt. Dadurch kann man überall entlang der Strecke ein und aussteigen. Es ist so eine kleine Veränderung aber sie macht so einen großen Unterschied. Wobei ich mir noch nicht ganz sicher bin, ist wie das mit den Preisen funktioniert, ich glaube man zahlt einfach egal wie lang man fährt den gleichen Preis (ca 60ct)

Meine größte Sorge als ich hierherkam war die Sprachbarriere. Ich hatte kein Spanisch in der Schule (oder wie es hier genannt wird: Castellano) und obwohl ich versucht habe mir selber möglichst viel anzueignen bevor ich hierherkam, hat das bei weitem nicht gereicht. Hier in Ciudad del Este spricht eigentlich kein Englisch oder Deutsch, und so muss ich wohl oder übel mit meinem Spanisch auskommen. Ich weiß noch nicht ganz ob ich das gut oder Schlecht finde, ich lerne so sehr viel mehr von der Sprache und wahrscheinlich auch schneller, aber es ist auch ein Stück anstrengender und manchmal wünsche ich mir einfach, dass man mich versteht, auch ohne dass ich wilde Gestik nutze. Wenn ich alleine bin, traue ich mich immer mehr zu sprechen, aber mit anderen lasse ich ihnen oft doch noch den Vortritt, ich habe also noch einen weiten Weg zu gehen.

Vielleicht ist jetzt der Punkt, an dem ich meine Zeit hier etwas konkreter beschreiben sollte.

Ich wohne hier in einer WG mit drei anderen deutschen Freiwilligen. Wir hatten uns alle in Buenos Aires kennengelernt. Nach zwei Wochen Vorbereitungsseminar sind wir in einem Bus nach Ciudad del Este gefahren, wobei wir prompt dem ersten Problem begegneten. Uns war eingetrichtert worden, dass wir an der Grenze nach Paraguay unbedingt einen Stempel im Reisepass brauchen, das haben wir Prompt in eigene Hand genommen, stiegen an der Grenze aus und holten ihn uns. Dann erst merkten wir, dass wir gestrandet waren, an der Grenze ohne Internet oder der richtigen Währung. Eigentlich hätten wir nämlich zuerst an die Endstation fahren sollen und wären mit unseren Ansprechpartnern nochmal zu der Grenze gefahren. Zum Glück schafften wir es einen Bus zur Endstation zu finden, zahlten in Dollarn und kamen sicher in unserem neuen Zuhause an.

Die erste Woche arbeiteten wir noch nicht. Wir verbrachten viel Zeit zuhause und gewöhnten uns an die Eigenheiten wie beispielsweise dem sehr niedrigen Wasserdruck oder an einem Gasherd zu kochen. Wir erkundeten unsere nähere Nachbarschaft und haben rausgefunden das es hier extrem viele Obstbäume gibt – Papayas, Mangos, Bananen und vieles mehr, sogar einige von denen ich noch nie gehört hatte. Unsere Nachbarin, die auch meine Arbeitskollegin ist, hat mir ein neues Obst gezeigt, dass, wenn ich mich nicht täusche, Nispero heißt, es schmeckt relativ Sauer und leicht süßlich und schmeckt mir unglaublich gut.

neue Frucht zum Ausprobieren

Dann, ging es endlich ans Eingemachte. Der erste Arbeitstag. Um ehrlich zu sein hat er mich etwas beunruhigt. Im Endeffekt saßen wir den Großteil des Tages nur in einer Ecke und beobachteten die Geschehnisse. Zum Glück weiß ich jetzt, dass so ein Tag eher die Ausnahme als die Regel ist. Ich arbeite in der Organisation Callescuela, die hat hier in Ciudad del Este zwei Standorte. Einer ist 10 Minuten weg und wird St. Anna genannt, da das Barrio (der Stadtteil) so heißt. Die andere liegt in Km9. sie wird auch Esmeralda genannt, wenn ich es richtig verstanden habe ist das weil die Straße so heißt, aber ich könnte damit ehrlich daneben liegen. Dort arbeite ich, zumindest für das erste halbe Jahr.

Esmeralda

Mein Arbeitsweg ist etwas länger. Zuerst laufe ich 25 Minuten zu meiner Bushaltestelle. Es gibt zwar eine Straße, aber keinen Fußgängerweg. In diesem Aspekt erinnert mich Paraguay ehrlich an das was ich von Nordamerika gesehen habe. Autos werden Fußgängern gegenüber sehr eindeutig priorisiert. Meistens gibt es Trampelpfade neben der Straße, aber an ein paar punkten muss ich mit den Autos laufen. Ein weiterer Unterschied zu den mit bekannten Straßen sind die vielen Geschwindigkeitsregelnde Hubbel (oder Bremsschwellen) das Problem damit ist, dass entweder die Hubbel größer oder die Autos tiefer liegen. Fakt ist, dass ich schon in so manchem Auto saß das recht heftig aufsetzte. die meisten fahren in einer extremen Schieflage rüber um das Aufsetzen zu vermeiden. ich habe sogar schonmal gesehen, dass jemand unvorsichtig war, und komplett Aufsetzte, der wackelte dann wie auf einer Wippe. Andere Menschen mussten helfen das Auto zu befreien. Die letzte Umgewöhnung ist wie oft ich auf meinem Heimweg an gehupt werde.. und das nicht, weil ich auf der Straße gehe. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich über eine Woche gebraucht habe um es zu realisieren. Normalerweise schaue ich beim Laufen auf den Weg um nicht zu stolpern, aber an dem Tag schaute ich hoch und mir wurde mit den Händen ein Herz gezeigt, außerdem beliebt ist das Handtelefon oder einfach nur ein intensives starren. Dazu muss ich aber sagen, dass es nie weiter geht als das. Noch nie hat jemand angehalten und ich habe mich kein einziges Mal unsicher gefühlt, es ist, wenn überhaupt, etwas nervig.

An der Bushaltestelle angekommen (oder eher an der Straße an der der Bus entlang fährt) fahre ich eine Viertelstunde mit dem Bus und bin dann schon so gut wie da. Meine Arbeitsstelle liegt am äußeren Rand der Stadt. Es sieht dort auf jeden Fall schon anders aus, viel ländlicher als wo wir wohnen, aber diese Qualität ist auch was ich so sehr daran liebe. Alle dort sind eine sehr enge Gemeinschaft, ich erkenne alle Mütter und weiß bei der Hälfte der Häuser an denen ich vorbei laufe welches Kind dort wohnt.

Mein Weg nach Hause

Mein Arbeitstag sieht je nach Wochentag unterschiedlich aus. Dienstag und Donnerstag ist Schule angesagt… oder zumindest so was ähnliches. Die Kinder gehen getrennt von der Callescuela zur Schule, aber was bei uns passiert ist etwas wie Nachhilfe oder weiterführender Unterricht. Meistens erklärt die Lehrerin nochmal was sie in der Schule gelernt haben oder es wird einfach nur Aufgaben geübt. Manchmal werden auch die Hausaufgaben gemacht. Ich kann mittlerweile auch schon richtig Mithelfen. Mathe kann ich richtig gut erklären und wenn sie schreiben üben müssen ist meine Aufgabe meistens ein Diktat aufzugeben, während sie meine Aussprache korrigieren. Oft helfe ich irgendwo hinten ein paar Kindern die bei der offiziellen Einheit nicht ganz so gut klarkommen.

Die Kinder sind alle sehr lustig drauf und haben schon viele kreative Wege gefunden mit mir zu kommunizieren. Immer wieder gibt es Missverständnisse über die wir gemeinsam lachen, zum Beispiel habe ich einen Ring getragen und die Kinder wollten wissen ob ich verlobt bin, die frage hab ich erst nach zwei Mal Umformulieren verstanden und um zu zeigen dass ich sie verstanden habe hab ich erst „ah ja ja“ und dann „nein“ gesagt. darüber haben sie noch eine ganze Weile gelacht und haben sich über mich lustig gemacht, weil ich „verlobt“ bin.

einem Mädchen wurde langweilig…

Mittwoch und freitags gibt es einen Kindergarten. Dort fällt es mir in dem Sinne leichter, dass es die Kinder nicht kümmert ob ich Spanisch kann oder nicht. solange ich ihnen „Oh, wie schön“, „Oh, wie groß“ oder „Ach wie toll“ sagen kann sind sie zufrieden. Die Kleinen sind Super süß und quirlig, es macht extrem viel Spaß mit ihnen zu spielen und tanzen. Der große Nachteil: die ständigen Ohrwürmer von Kleinkinderliedern. Sobald jemand einen Schmetterling sieht stecken sofort fünf Schmetterlingslieder in meinem Kopf.

Samstag ist der wohl interessanteste Tag, aber leider auch der an dem ich am wenigsten verstehe. Am Samstag sind nämlich die CONNATS (Kooperation der arbeitenden Kinder) oder NNTSM (Kinderarbeit ohne Mauern) oder NNATS en Lucha (Arbeitende Kinder im Kampf) treffen. Wie die Namen schon sagen sind sie Politisch. Kinderarbeit ist hier weit verbreitet, sei es im Familienladen, auf der Straße oder dass sie den Haushalt schmeißen, die meisten Kinder mit denen ich arbeite arbeiten selber auch. In diesen runden reden sie über ihre Lage, oder ihre Rechte, diskutieren verschiedene Politische Geschehen oder Sprechen über die CONNATS und ihre Ziele. Manchmal organisieren sie sogar Demos und andere Aktionen. das was ich aus den Runden verstehe ist extrem interessant, aber leider nehme ich noch nicht alles mit. Danach geht es immer auf den Spielplatz wo wir immer viel spaß zusammen haben. Wir spielen Fußball oder Volleyball, sogar Klatchsspiele habe ich beigebracht bekommen – obwohl die tatsächlich gleich sind wie in Deutschland mit etwas anderen Wörtern.

Außerhalb von der Arbeit gibt es leider noch nicht so viel in meinem Leben. Es ist hier nicht so einfach, nach einer Sportart zu Googlen; die meisten Vereine haben nicht einmal eine Webseite. Ich habe ein paar Stunden gebraucht, um überhaupt herauszufinden, ob es von einem Sport eine Frauenmannschaft gibt. Wir wollen alle als WG zu einer Tanzschule gehen und uns dort ausprobieren, und ich habe mittlerweile sogar zwei Rugbymannschaften gefunden, welche ich vielleicht anschreiben möchte, aber mehr ist da noch nicht passiert. Wir waren aber mit der WG schon ein paar Mal unterwegs; wir sind Volleyball spielen gegangen an einem See, haben ein Einkaufszentrum besucht oder Spieleabende gemacht.

Schöner Abend am See mit Buch

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