Pride in Nagpur

Zu Beginn des neuen Jahres fand die Pride in Nagpur statt. Ilana und ich wollten natürlich mitdemonstrieren und für eine Verbesserung der Situation von queeren Menschen in Indien kämpfen. Ich schätze es nahmen ungefähr 200-300 Menschen an der Demonstration teil, was mich überrascht hat. Denn ich hatte nicht gedacht, dass so viele Menschen aus Nagpur, einer indischen Kleinstadt, die Pride besuchen würden.. Bevor der Demozug losging, versammelten wir uns alle vor einer großen Bühne. Organisiert wurde die Pride von der NGO Sarathi Trust. Sie soll einen safe space für queere Menschen in Nagpur sein und bietet zudem auch medizinische Behandlungen an, die oft queeren Menschen in Indien verwehrt werden. Nach einer Eröffnungsrede von Nikunji Joshi, dem Vorsitzender von Sarathi Trust, folgten zwei unterschiedliche indische Tänze. Eine der beiden Tänzerinnen war Mohini, die eine bekannte Transaktivistin und Tänzerin Nagpurs ist (auf Instagram findbar unter). Nach dieser feierlichen Eröffnung, die von Konfetti und lauter, guter Musik begleitet wurde startete die eigentliche Demonstration. Eine große Prideflag wurde feierlich durch die Menschenmasse gereicht, sodass wir Demonstrant*innen hinter der Prideflag hergelaufen sind. Die Stimmung war sehr gut und alle waren glücklich, dass sie jetzt die Möglichkeit hatten für mehr Sichtbarkeit und gegen die andauernde Diskriminierung durch die Straßen Nagpurs zu ziehen.

Ich wusste zu Beginn nicht wie die Route des Demozuges aussehen wird und dachte, dass wir vielleicht eher kleinere, leerer Seitenstraßen aus Sicherheitsgründen nehmen würden. Doch das stimmte überhaupt nicht, was mich noch mehr beeindruckt hat. Wir sind bis zum Sitabuldi market und noch weitergelaufen. Wenn man aus Nagpur kommt oder so wie ich jetzt schon einige Zeit in Nagpur lebt, weiß man, dass der Buldimarkt und die Gegend drumherum das Zentrum Nagpurs ist. Dort gibt es wahnsinnig viele Geschäfte, eine beliebte Mall und dementsprechend ist es dort immer sehr voll. Das dort demonstriert wurde hat mich sehr beeindruckt, denn das gesellschaftliche Klima gegenüber queeren Menschen ist nicht besonders gut. Queerness ist tabuisert und wenn es zum Thema wird, wird es mehrheitlich abgelehnt. Homosexualität ist seit 2018 zum Glück nicht mehr illegal, doch das Inkrafttreten der „Ehe für alle“ wurde erst im letzten Jahr vom Supreme Court abgelehnt. Trans* Menschen haben die Möglichkeit einer medizinischen Transition, müssen diese aber selber zahlen, was viele aufgrund der hohen Kosten nicht zahlen können. Außerdem haben viele trans* Menschen, wenn sie geoutet sind und offen leben, große Schwierigkeiten einen Arbeitsplatz zu finden, an dem sie akzeptiert werden. Das führt dazu, dass viele trans* Menschen in die Obdachlosigkeit gedrängt werden. Das Comingout ist für viele queere Menschen in Indien ein langer und schmerzhafter Prozess, der häufig erstmal mit Ablehnung durch die Familie endet. Gerade wegen diesem Wissen hat mich der Mut der Demonstrierenden sehr beeindruckt. In Deutschland ist der CSD oft eine kommerzielle große Party, statt einer Demonstration. Es ist für die meisten viel leichter einen CSD zu besuchen. Natürlich ist es auch in Deutschland nicht so, dass es keine Diskriminierung gegenüber queeren Menschen gibt. Der Paragraph 175 wurde erst 1975 abgeschafft, die „Ehe für alle“ wurde erst 2017 eingeführt. Blutspenden dürfen homosexuelle und bisexuelle Männer erst seit dem letzten Jahr. Das alte Transsexuellengesetz, welches trans Menschen massiv diskriminiert hat, wurde erst letztes Jahr durch ein Selbstbestimmungsgesetzt ausgetauscht, welches immer noch nicht die gesamte institutionelle Diskriminierung von trans Menschen beendet. Und auch in Deutschland ist das Comingout für viele noch immer ein harter Weg. Doch trotz dieser Diskriminierung, die es auch in Deutschland noch gibt oder erst vor kurzem beendet wurde, ist es natürlich leichter in Deutschland queer zu sein als in Indien.

Gerade deshalb hat mich der Mut dieser vielen Menschen während der Pride in Nagpur sehr berührt. Denn der Besuch einer solchen Veranstaltung kann gravierende Konsequenzen haben, vor allem wenn man noch ungeoutet ist. Mir war es deshalb wichtig solidarisch zu sein und die Kämpfe der queeren Menschen in Indien zu unterstützen. Die Pride in Nagpur war für mich eine sehr bereichernde, ermutigende und besondere Erfahrung!

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