Kirchenleitung absolviert Antirassismus-Training

Die Mitglieder der Kirchenleitung der Nordkirche haben gemeinsam ein Antirassismus-Training unter der Moderation von Yared Dibaba und seiner Mutter Arfasse Gamada absolviert. Sie reflektierten ihre Haltungen zum Thema Rassismus und arbeiteten an Strategien für eine offene und inklusive Kirchenkultur. Dieser Schritt zeigt das Engagement der Kirche für Vielfalt und Sensibilität gegenüber Rassismus.

Antirassismustraining in der Kirchenleitung moderiert von Yared Dibaba.

Kiel (mb/dds) Die Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) hat am Freitag (24. Mai 2024) gemeinsam ein Antirassismus-Training absolviert. In dem von NDR-Moderator Yared Dibaba und seiner Mutter, der Frauenrechtlerin Arfasse Gamada, geleiteten Workshop reflektierten die Teilnehmenden unter anderem ihre eigenen Prägungen durch das System des Rassismus und ihr Verhalten, lernten die Wirkungsweise von Rassismus näher kennen und arbeiteten gemeinsam an Strategien für eine Kultur der Verständigung und der Begegnung.


„Es ist wichtig, auf die eigene Haltung zu schauen“


Die Vorsitzende der Kirchenleitung der Nordkirche, Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, betonte die Notwendigkeit des Trainings: „Evangelische Kirche zu sein heißt grundsätzlich, öffentlich und offen zu sein. Offen für alle Menschen und offen mit allen Menschen. Wir müssen einfach feststellen, dass wir als evangelische Kirche, auch als Nordkirche, für einen Teil unserer Bevölkerung offensichtlich nicht als offen wahrgenommen werden.“  Insbesondere Menschen aus der BPoC-Community (BPoC – Black and People of Color ist eine Abkürzung, die für Menschen benutzt werden, die rassistisch diskriminiert werden) seien in der Nordkirche selten vertreten. Das habe Gründe in Geschichte und Gegenwart, so die Landesbischöfin und erklärte weiter: „Deshalb ist es gut, sich damit zu beschäftigen, wie wir eine interkulturell geöffnete Kirche sein können und wie Menschen zu uns Zugang finden, die andere Lebenserfahrungen haben, insbesondere Rassismuserfahrungen. Es ist wichtig, auf die eigene Haltung zu Themen wie Rassismus und Multikulturalität zu schauen.“  Die Kirchenleitung habe sich bewusst dafür entschieden, sich selbst für Themen wie Rassismus, Diskriminierung, Benachteiligung, Exklusion und Inklusion zu sensibilisieren. „Die Atmosphäre am Freitag habe ich als sehr offen, wohltuend und persönlich empfunden. Mein Eindruck war, dass alle Teilnehmer es als großen Gewinn erlebten, diese Zeit miteinander zu investieren. Dies wird auch für die weitere Arbeit der Kirchenleitung wichtig sein, um auf Basis der gemachten Erfahrungen unsere kirchpolitischen Entscheidungen zu überprüfen“, sagte die Leitende Geistliche der Nordkirche.


Kirche hatte bisher Menschen anderer Hautfarbe nicht genug im Blick 

Daniela Konrädi, Referentin für Rassismuskritische Bildungsarbeit im Ökumenewerk der Nordkirche, hob das Besondere an dem Antirassismus-Training der Nordkirche hervor: „Ich glaube, dass die Kirche bisher Menschen anderer Hautfarbe nicht genug im Blick hatte. Daran muss sich etwas ändern, daher sind Antirassismus-Trainings wichtig. Die Menschen in unserer Kirche sollen sich bewusstwerden, dass sich People of Color hier nicht willkommen, sondern eher ausgeschlossen fühlen, und warum das so ist.“ Bisher sei es leider so, dass die Kirche und ihre vielen Einrichtungen hauptsächlich von weißen Menschen besucht würden, so Konrädi. „Aber die People of Color, die mit uns hier leben, wollen unsere Kirche mitgestalten. Die Diakonie handhabt das bereits gut. Aber die offizielle Kirche braucht vielleicht noch etwas Anstoß.“, erklärte die Referentin im Ökumenewerk.  Trotzdem habe sich „auf jeden Fall“ bereits etwas geändert. „Seit 1996 bin ich Pastorin in der Nordkirche. Damals war es schwierig über Rassismus in der Kirche zu sprechen.Aber ich denke, seit dem Mord an George Floyd und der zunehmenden Sichtbarkeit von People of Color in unserer Gesellschaft hat auch die Kirche begriffen, dass diese Gruppe nicht nur als Opfer wahrgenommen werden sollte. Wenn unsere Kirche in einer Einwanderungsgesellschaft wie in Deutschland eine Zukunft haben soll, dann darf sie keine weiße Kirche bleiben.“

„Den ersten Schritt muss jeder selbst gehen.“

Yared Dibaba erklärte die Herausforderungen an solche Trainings: „Ich möchte den Menschen Lust machen, sich auf diese Reise zu begeben und etwas in ihrem Leben zu verändern, um Diversitäts- und Antirassismus-Kompetenz zu entwickeln. Den ersten Schritt muss jeder selbst gehen. Es ist wie tägliches Training: Es macht nicht immer Spaß, ist manchmal schmerzhaft, aber es macht uns fitter und resilienter im Umgang mit Diskriminierung und Rassismus.“  Das Schwierige sei, immer den richtigen Ton und Ansatz zu finden, da die Teilnehmenden oft an unterschiedlichen Punkten stehen und unterschiedlich bereit sein würden. „Energie für das Thema bekomme ich durch meine Erlebnisse. Ich freue mich, wenn ich zumindest eine kleine Veränderung hervorrufen kann. Dann habe ich das Gefühl, etwas zur Verbesserung der Welt beigetragen zu haben. Mein Glaube an das Gute im Menschen und die Hoffnung, die ich in mir trage, geben mir die Kraft.“, so der Moderator.


Zum Prozess der Interkulturellen Öffnung in der Nordkirche

Die Bevölkerung auch im Bereich der Nordkirche wird vielfältiger und diverser. Dabei sind über die Hälfte der rund 20,8 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger mit Migrationshintergrund Christen.  Die Kirchenleitung der Nordkirche hat als Antwort auf diese kulturell und ethnisch vielfältig werdende Gesellschaft im Januar 2022 ein Konzept zur Interkulturellen Öffnung verabschiedet. Eine Teilung der Kirche nach Sprachen, Kulturen, Ethnien oder Nationalitäten soll es nach christlicher Überzeugung nicht geben.
Die Nordkirche möchte eine Kirche werden, die allen Menschen Beheimatung und Geborgenheit ermöglicht, Verankerung und Identität, und zugleich weltoffen und plural erscheint. Unterschiede und Differenzen soll dabei anerkannt und auch wertgeschätzt werden.


„Ich bin dabei! Wie Kirche einen rassismuskritischen Weg gehen kann.“

Um diesen Prozess voranzubringen, hat die Nordkirche auch entsprechende Strukturen geschaffen. So gibt es seit Januar 2023 die Stelle eines Referenten für Interkulturelle Kirchenentwicklung, die Nicolas Moumouni inne hat. Daniela Konrädi ist Referentin für Rassismuskritische Bildungsarbeit im Ökumenewerk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland mit Sitz im Christian Jensen Kolleg in Breklum. Beide haben für ihre Arbeit ein Buch konzipiert und herausgegeben. „Ich bin dabei! Wie Kirche einen rassismuskritischen Weg gehen kann.“

Zum Buch

„Ich bin dabei! Wie Kirche einen rassismuskritischen Weg gehen kann.“: Die Auseinandersetzung mit Rassismus ist in einer Migrationsgesellschaft wie in Deutschland dringend nötig. Das von Daniela Konrädi und Nicolas Moumouni herausgegebene und konzipierte Buch öffnet neue Perspektiven und bündelt Fachwissen und Positionen von Expert:innen innerhalb und außerhalb der Nordkirche. Es geht unter anderem um historische Narrative, Kommunikation und Sprache, Ansätze aus der Religionspädagogik und theologische Perspektiven. Die meisten Autor:innen arbeiten seit vielen Jahren in dem Themenfeld „Rassismus und Kirche“, viele sind BPoC.

Autor:innen, u.a.:
Daniela Konrädi, Nicolas A. S. Moumouni, Joy Devakani Hoppe, Sarah Vecera, Sina Balke-Juhn, Irene Appiah, Alena Höfer, Nathalie Eleyth, Britta Hemshorn de Sánchez, Eske Wollrad, Stephan Linck, Helge Bezold, Christian Wollmann.

Weitere Informationen zu dem Buch finden Sie hier.

Zu den Personen:
Daniela Konrädi ist Referentin für Rassismuskritische Bildungsarbeit im Ökumenewerk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland mit Sitz im Christian Jensen Kolleg in Breklum und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Fragen der Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen of Color in Kirche. Sie bietet Antirassismus-Workshops, Vorträge und Diskussionsbeiträge an und arbeitet mit Gremien und Ausschüssen der Nordkirche zusammen, um zukünftig eine rassismussensible Kirche zu gestalten.

Yared Dibaba ist bekannt als Schauspieler und Moderator, zudem ist er ausgebildeter Diversity-Coach. Er kam 1979 als Flüchtlingskind nach Deutschland. Seine Familie war aus Oromia in Äthiopien geflohen, als dort ein blutiger Bürgerkrieg ausbrach. In Niedersachsen wuchs er auf und lernte Plattdeutsch, das er inzwischen fließend spricht. Er besuchte eine Schauspielschule, studierte Gesang und übernahm schließlich Moderationen und Sendungen beim NDR wie „Hör mal ’n beten to“ oder „Plattdeutsch für Anfänger“.

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