Gedanken zur Zeit im Juli: Tanzen als Gebet und Weg zum Frieden

Dr. Saju (r.) ist ausgebildeter Tänzer im sog. „Bharatanatyam“, einer Form des klassischen indischen Tanzes. Mit einer Gruppe indischer Tänzerinnen und Tänzer war er für eine Woche in der Nordkirche zu Gast.

„Tanzen ist für mich ein Ausdruck des Gebets“, so sagt es der Jesuitenpater Dr. Saju George aus Kalkutta. Für eine Woche war er mit einer Gruppe junger Tänzer*innen bei uns in der Nordkirche zu Gast. Dr. Saju ist ausgebildeter Tänzer im sog. „Bharatanatyam“, einer Form des klassischen indischen Tanzes. Darin hat er sogar promoviert. Dieser Tanz ist eine 2000 Jahre alte Kunstform und alles andere als ein Gesellschaftstanz. Er ist höchst komplex, überaus kunstvoll und hat seinen Ursprung im hinduistischen Tempeltanz. Heute ist er eine anerkannte Kunstform, die auf vielen Bühnen aufgeführt wird. Für Father Saju ist er vor allem eines: Gebet, Meditation und Anbetung Gottes.

Tanz als Gebet

Tanzen verbindet in unseren Breiten wohl kaum jemand mit Religion oder gar Kirche. An Karfreitag gibt es sogar ein gesetzliche Tanzverbot. Tanzen scheint hierzulande vor allem auf das profane Leben beschränkt: als Gesellschaftstanz auf Familienfeiern, in Musikclubs oder wie in den Tagen der EM in Deutschland gerade eindrucksvoll zu beobachten war, als fröhlich-springende Fanformationen wie bei den Niederländern: „Nach links…nach rechts…“

Tanzen ist körperlicher Ausdruck von Lebensfreude. Warum eigentlich ist das in Gottesdiensten in der christlichen Welt (mit Ausnahme der Shaker) so verpönt? Ist es nicht schade, dass alles Körperliche weitgehend aus der christlichen Gottesdienstpraxis verbannt und die Lebensfreude zumindest doch nur sehr gedimmt zugelassen wird?

Offenbar überwiegt die Erinnerung an den wilden Tanz ums Goldene Kalb (Ex 32). Dabei berichtet schon die Bibel, dass selbst der große König David einst „mit Macht vor dem Herrn tanzte“, als die Bundeslade zurück nach Jerusalem kam. Und als der Verlorene Sohn zurück nach Hause fand, ließ der Vater ein Freudenfest ausrichten, bei dem gesungen und getanzt wurde (Lk 15).

Für den Jesuiten Dr. Saju schließen sich Gebet und Tanz keineswegs aus. Für ihn ist der Tanz in Bewegung gesetztes Gebet und körperlicher Ausdruck des Gotteslobs. Selbst biblische Geschichten erzählt er durch die Ausdrucksform des indischen Tanzes. Das zu sehen, ist eindrucksvoll und berührt mein Herz jedes Mal wieder, wenn ich die Gruppe in Kirchen tanzen sehe. Der Tänzer Saju sucht in der Kunst das Verbindende, das uns Menschen als Kinder Gottes eint. Dazu muss nicht nur der Kopf, sondern auch das Herz der Menschen berührt werden. Genau das ist die Absicht, die er mit seinem Tanz verfolgt. Nicht ohne Grund heißt der Ashram (eine Art spirituelle Lebensgemeinschaft), den Father Saju gegründet hat, auch „Kalahrdaya“ oder „Heart of Art“, also „Herz der Kunst“.

In seinem christlichen Ashram bei Kalkutta lernen und lehren Christen unterschiedlicher Konfession, Hindus und Muslime gemeinsam den klassischen indischen Tanz und vermitteln ihn vor allem an Kinder und Jugendliche aus weniger privilegierten Schichten. Dr. Saju überschreitet damit bewusst Grenzen von Religion, Konfession und Kultur. Dafür wird er in Indien sogar von fundamentalistischen Hindus und Christen angefeindet. Vielleicht ist es naiv zu glauben, dass Tanzen die Welt verändern kann. Aber die Botschaft, die die Tänzer*innen aus Indien vermitteln, ist heute nötiger denn je: in Kunst und Schönheit können wir uns im Herzen berühren lassen, Trennungen überwinden und die Einheit als Menschen und Kinder Gottes entdecken, damit Friede werde.

Vielleicht sollten wir einfach mal wieder mehr Tanz wagen.


Jörg Ostermann-Ohno, Referent für Indien, Papua-Neuguinea und Pazifik